Am 8. September 2025 fand zum 20. Mal das Wirtschaftsgespräch statt. In der voll besetzten Kundenhalle der Hauptstelle begrüßte auf Seiten der Dortmunder Volksbank Michael Martens, Vorsitzender des Vorstandes, neben den rund 200 Anwesenden den Gastredner Professor Dr. Karl-Rudolf Korte. Der Politikwissenschaftler, der unter anderem als Wahl-Experte aus dem Fernsehen bekannt ist, sprach zum Thema „Aufbruchslos: über Wählen und Regieren in der Aufregungsdemokratie.“
Martens kritisiert „Aufregungsdemokratie“
Zuvor ging Martens auf die aktuelle politische Situation in Deutschland ein: „Unsere Politik wirkt heute oft wie ein Dauerlauf im grellen Scheinwerferlicht: laut, hektisch, dramatisch. Schlagzeilen scheinen wichtiger als Entscheidungen – kein Wunder also, dass Politikwissenschaftler von einer ‚Aufregungsdemokratie‘ sprechen.“ Er kritisierte, dass Empörung und Emotion bei Themen wie Energieversorgung, geopolitischen Krisen oder Fachkräftemangel die sachliche Auseinandersetzung überlagern. Viele Menschen empfänden daher wachsende Verunsicherung und wünschten sich Orientierung und Zuversicht.
„Bei all dem Lärm geht eines verloren: der echte Aufbruch. Statt großer Visionen erleben wir vor allem Krisenmanagement und anstelle mutiger Schritte viele kleine Pflaster“, damit spielte Martens bereits auf Professor Korte an, der für diese Dynamik der Demokratie ein treffendes Bild gefunden hat: den Wochenmarkt. Parteien würden ihre Programme, Ideen und Kandidaten anbieten wie Händler ihre Waren auf dem Wochenmarkt, Wählerinnen und Wähler wählen aus – manches überzeugt, anderes bleibt liegen. Demokratie würde so als ständiges Aushandeln zwischen Angebot und Nachfrage, Erwartungen und Erfüllung erscheinen.
„Wie auf Märkten geht es dabei nicht immer geordnet zu, sondern laut und voller Konkurrenz. Doch genau darin liegt die Stärke: Demokratie bleibt ein Ort des Austauschs, an dem Vertrauen entstehen und Orientierung gefunden werden kann“, so Martens.
Transformation braucht chancenorientierte Kommunikation
Im Anschluss übernahm Professor Korte. Zu Beginn appellierte er an das Publikum bei künftigen Wahlen, nicht nur einfach die Stimme abzugeben und wie in einer „Lieferando-Demokratie“ Politik zu bestellen, sondern sich aktiv einzubringen. Außerdem machte er darauf aufmerksam, dass es nicht selbstverständlich sei, frei wählen zu dürfen - das sei ein Privileg das mit einem Kaltgetränk gefeiert gehöre.
Im Mittelpunkt seines sehr humorvollen und mit ironischen Spitzen gespickten Vortrags stand allerdings eine ernste Frage: „Warum gelingt kein echter Politikwechsel in Deutschland, der mit Aufbruchsstimmung und Wandel einhergeht?“ Es sei vor allem das Sicherheitsdenken, die Risikoarmut der Deutschen und die Verlässlichkeit der Langeweile, die einen Wandel verhindern würden. „Wir lieben Verlässlichkeit, aber Politik ist unberechenbar. Doch wie managt man das Ungewisse? Wir müssen den Nutzen der Veränderung herausstellen, um eine Transformation herbeizuführen, und zwar mit einer chancenorientierten Kommunikation – denn Rettung braucht Richtung“, stellte Korte heraus.
Darüber hinaus ging er darauf ein, wie es sich verhindern ließe, dass die radikalen Ränder immer breiter werden: „Der beste Weg, die Mitte zu stärken, besteht darin, eine funktionierende Infrastruktur anzubieten. Denn diejenigen, die sich nicht gehört fühlen und den Staat in seiner Staatlichkeit nicht mehr erkennen, wählen in der Regel radikal. Jedes Schlagloch pflastert der AfD den Weg, daher ist jeder Cent für die Infrastruktur ein Cent für unsere Freiheit“, so Korte. Mit diesem Verständnis sowie einem Verständnis von Positivität könne man Wählerinnen und Wähler zurückholen. Denn Positivität, Zuversicht und Zukunft seien der größte Feind der AfD.
Zum Abschluss forderte Korte: „Außerdem muss die politische Mitte einfach die bessere Party machen und die Themen bewerben: wo ist die Schule, die ruckzuck fertig war oder wo entstehen die Mietwohnungen, die bezahlbar sind? Wir müssen positive Dinge auch feiern!“